Wort und Anwort, 44. Jahrgang, Heft 3, Juli/September 2003, Seite 126 bis 131

 

Betende Roboter

Ein zeitnahes Zukunftsmärchen

 

Während im Vatikan intensive Beratungen stattfinden, ob das menschliche Hirn und der Computer nicht bloß verschiedene Spielarten symbolverarbeitender Systeme seien, beide intelligent und darum in besonderer Beziehung zu Gott, ist Erzbischof Vulcano bereits zur Tat geschritten. Er residiert auf Stromboli, und seine Diözese besteht aus der kleinen Liparischen Inselgruppe vor der Nordostküste Siziliens. Seit Jahren lebt der fromme Computerfreak in den verzweigten Höhlenlabyrinthen, die das Magma des Inselvulkans immer neu furcht und formt. So manches Experiment hat ihm der feurige Fluss schon zerstört. Der Ort war in keiner Hinsicht zufällig gewählt. Hier wurde einst der Schmiedegott Hephaistos verehrt, den die Römer Vulcanus nannten. Homer erzählt, dass der Gott als Technikexperte der unsterblichen Olympier selbständig rollende Dreifüße konstruierte, unterstützt von goldenen Dienerinnen mit Verstand in der Metallbrust. Die antiken Gesänge der Priester stimmten hier einst in das Brodeln und Zischen des Magmas ein, denn man glaubte, der Krater sei der oberste Rand der göttlichen Esse tief im Inneren der Erde. Religiöse Technik – technologische Religion, was in der Moderne unversöhnlich gegenüber zu stehen scheint, war im Vulcanuskult einmal eins und könnte es möglicherweise wieder werden. Darum hatte die Glaubensbehörde den Erzbischof mit einem geheimen Projekt beauftragt, dessen Katholizität noch keineswegs erwiesen war. Der Name „Vulcano“ wurde ihm als Programm für sein Geheimprojekt verliehen, denn er selbst ist das Projekt.

Algorithmen oder unsterbliche Geistseele?

Man schrieb das Jahr des Herrn 2003 und damals gab es in Rom zu der Frage nach einer möglichen Frömmigkeit intelligenter Maschinen zwei Grundpositionen. Die fortschrittlichen Kardinäle behaupteten, es komme nur auf die richtigen Algorithmen an, die Hardware des Materials sei irrelevant ob nun Hirnmasse oder Computer. Die gegnerische Position verlor täglich an Boden, weil ein kirchengeschichtliches Argument die computerkritischen Einwände erdrückte: man wolle keinen zweiten Fall Galilei, der die Kirche auf Jahrhunderte als „ewig gestrig“ gebrandmarkt hatte. Auch solle der „Antimodernismuseid“ Pius des X. keine computertechnische Neuauflage erfahren. (1) Man dürfe die Erkenntniswege der Menschheit nicht per se verteufeln, auch wenn sie der Glaubenstradition harte Nüsse zu knacken gäben, so dachten die meisten. Kardinal Searle (2) vertrat dagegen hartnäckig den chinesischen Einwand (wie die Pro-Seite spottete): „Wie könnte eine Maschine fromm werden, da selbst ein Sprachcomputer natürliche Sprache nicht wirklich versteht! Wer chinesische Fragen korrekt beantwortet, indem er nach genau vorgegebenen Regeln chinesische Schriftzeichen manipuliert, versteht noch kein Chinesisch!“
Auch Kardinal Dreyfus (3) schimpfte beharrlich aus der selben Richtung: „Zu wahrer Frömmigkeit gehören auch Wünsche, Befürchtungen, Hoffnungen, Überzeugungen usw. Solche mentalen Zustände sind aber von einem Computer nicht zu erwarten. Sie sind immer an bestimmte biologische Substanzen gebunden, insbesondere an die Zellen des menschlichen Gehirns.“
Einige technisch Unbedarfte störten manchmal die Debatte mit überholten Einwänden aus der Dogmatik, die aber rasch übergangen wurden, um wieder zum Thema zu kommen. Die Sache war zu wichtig, um sie in scholastischer Spekulation zu zerreden.
Nun sind fünf Jahre vergangen. Die Debatte im Vatikan brodelt noch immer, aber ihr eigentlicher Herd ist nach Süden gerutscht, dorthin, wo Erzbischof Vulcano das Unglaubliche im römischen Auftrag vermutlich bereits tut. Genaues weiß niemand. Alle Redebeiträge enden stets mit „Stromboli“, was viele mit hörbarer Zukunftshoffnung und manche mit Abscheu und Angst erfüllt. Aus Sicherheitsgründen wurde jeder Kontakt zu Vulcano unterbunden, um die katholische Welt nicht zu verunsichern und den Erzbischof zu schützen. Was war in der Zwischenzeit geschehen?

Gestaffeltes Risiko

Vulcano hatte die zahllosen Räume in dem erkalteten Magma des Stromboli genutzt, um verschiedene Formen künstlicher Intelligenz zum Leben zu erwecken und mit ihnen religiöse Erfahrungen zu suchen. Das Eingangslabyrinth nannte er nach Leonardo da Vinci, der im Laufe seiner Studien zur menschliche Anatomie ein mechanisches Äquivalent des Menschen in Planung hatte, ein historisches Museum in Sachen „Roboter“. Hier steht der „Karakuri“, ein japanisches Werk des 17.Jh., das Tee serviert, die Ente von Vaucanson aus dem 18.Jh., die essen, verdauen und ausscheiden kann und andere Museumsexponate. Vulcano will damit die „Katholizität“ des Unternehmens betonen. Außerdem sollte vor dem ersten Blick verborgen bleiben, was Vulcano eigentlich tat, um den erwarteten Besuch aus Rom nicht gleich zu überfordern. Diese historischen Maschinen denken noch nicht. Sie erledigen einfach ihre Aufgaben mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks – kein Problem also für Zustimmung aus Rom.
Das dahinter liegende Labyrinth heißt nach dem tschechischen Schriftsteller Karel Capek, mit dessen berühmtem Theaterstück „R.u.R.“ von 1920 der Ausdruck „Roboter“ (4) ins kulturelle Leben trat. Die in Massenproduktion hergestellten und mit Intelligenz versehenen Roboter sind in Capeks Zukunftsvision ihren Erbauern überlegen und wenden sich beim Kriegseinsatz gegen die Menschheit. Das Forschungsareal ist dementsprechend als Hochsicherheitstrakt von der übrigen Höhlenwelt abgeschirmt. Niemand kann unbemerkt eindringen oder gar heraus gelangen.
Im Alan-Turing-Saal (5) „arbeiten“ zahlreiche Computer mit „Gehirnen“, die Intelligenztests besser bestehen können als Menschen. Sie regeln das Leben dieser unterirdischen Welt elektronisch, sichern Frisch- und Abwasserzufuhr, kochen für Vulcano das Essen und bereiten buchhalterisch die finanzielle Transaktion der Forschungseinheit vor, wenn Rom sie nach seiner Visite im Jahre 2008 wie geplant aufzulösen gedächte. Ein nach oben offenes Budget steht zur Verfügung, denn der Vatikan wollte sich lieber verschulden, als die Entwicklung zu verschlafen. Endlich wieder soll das Evangelium auf dem höchsten Stand wissenschaftlicher Erkenntnis verkündet werden, was bereits seit dem 15.Jahrhundert nicht mehr der Fall war. Um die erste Hürde zu nehmen, hat Vulcano für die Kardinäle Alan Turings „Imitation-Game“ vorbereitet, ein Test, bei dem ein Mensch meist nicht unterscheiden kann, ob er mit seinesgleichen oder einer Maschine kommuniziert.
Der nächste Saal ist nach John McCarthy und Marvin Minsky benannt. (6) In diesem Saal arbeiten Maschinen, die sehr viel weitergehend in der Lage sind, menschliches Denken nachzuahmen, allerdings nach der eher verspielten Konstruktionshypothese „AI weak“. Die Maschinen werden so programmiert, dass sie zwar in gewisser Weise „klug“ sind, jedoch kein „Bewusstsein“ haben. Menschenähnliche Roboter gehen hier aufrecht auf zwei Beinen, steigen Treppen, öffnen Türen und verschließen sie wieder und alles sieht fast menschlich aus. Petrus z.B. versieht den Posten des Empfangschefs für den erwarteten römischen Besuch und übt bereits seit Monaten jeden Tag. Vulcano hatte auch Messdiener, Lektorinnen und Kirchenmusiker gebaut, die ihm fehlerfrei bei der Eucharistiefeier assistieren.
Der folgende Kris-Pister-Saal birgt das Projekt „Smart Dust“. (7) Hier werden sehr einfache, aber winzig kleine Roboter konstruiert, die, zu Tausenden in einem Netzwerk zusammengeschlossen, außergewöhnliche Dinge vollbringen sollen. In diesem Raum forscht Vulcano nach der riskanteren Konstruktionshypothese „AI strong“, d.h. er wagt den Versuch, Maschinen mit Bewusstsein zu schaffen. Er arbeitet mit großem Optimismus und hofft, dieses intelligente Netz einmal in menschliche Körper einzuführen, um die Sinne zu erweitern und das Immunsystem zu verbessern. Dennoch zwingt er sich immer wieder zur Selbstkritik. In den letzten Tagen vor dem vatikanischen Kontrollbesuch, hat er sich Neal Stephensons Roman „The Diamond Age“ als Tischlektüre verordnet (vorgelesen von einer netten Robot-Lektorin namens Augustina), eine realistische Fiktion, in deren Verlauf aus genau dieser Technologie ein Horrorszenario entsteht. (8) In melancholischen Abendstunden fragt sich der Erzbischof gelegentlich, ob er daran ernstlich weiterarbeiten durfte. Er könnte wie sein göttlicher Namensvetter zum Schöpfer einer verführerischen Pandora werden (zur Strafe für das technische Wissen der von Prometheus verführten Menschheit). Um nicht fahrlässig zu riskieren, dass Pandoras gefährliche Büchse geöffnet würde, riegelt er daher den Kris-Pister-Saal hermetisch ab, während er mit seinen harmlosen „AI weak“-Robotern täglich in einer Prozession aus dem Labyrinth heraus zieht, um in der alten Höhlenkirche am Meeresufer die heilige Messe zu zelebrieren. Hier war auch das alte Hephaistos/Vulcanus–Heiligtum, das in frühchristlicher Zeit zur Kirche umgewidmet wurde. (9)

Der erzbischöfliche Cyborg

Vulcano ist ein sehr kontemplativer Mann, der sein Bistum gerne von seinem Weihbischof verwalten lässt und sich in die Stille zurückzieht. Seit Beginn der Experimente auf (oder besser: unter) Stromboli hat er keinen Menschen mehr getroffen, kein Telefongespräch geführt, nur geschäftliche Kontakte per Internet, um das Material und alle Maschinenteile zu bestellen. Wobei jeweils eine stumme Übergabe vereinbart wurde und die Lieferanten ihre Ware im hinteren Teil der Höhlenkirche abzugeben hatten. Die Rechnung beglich Rom ohne Umwege. Vulcano soll und will mit niemandem sprechen, bevor die Kardinäle sein Werk begutachtet hätten. Er soll und will vor allem von niemandem gesehen werden. Denn er hat sich sehr weitgehend verwandelt und kann sich der Reaktionen auf seine heutige Person keineswegs sicher sein.
Künstliche Mittelohren und einen Herzschrittmacher hatte er bereits krankheitshalber auf die Insel mitgebracht. Dann brach Vulcano im Zuge seiner Experimente die Körpergrenzen auf und ließ sich von seinen selbstgeschaffenen HelferInnen zahlreiche Vorrichtungen in den Körper implantieren. Anfangs fragte er sich noch, ob der Mensch Vulcano seinen Robotern überlegen sei, oder das „Arbeitsverhältnis“ sich Schritt für Schritt umzukehren beginne. Doch nach zwei Jahren der technologischen Erweiterung seiner selbst wusste er, dass diese Frage seiner Wirklichkeit nicht gerecht wird. Für Vulcano steht im Frühjahr 2008 fest, was führende Forscher künstlicher Intelligenz bereits Jahre zuvor wussten (10), dass der einzig mögliche Ausweg aus einer von Robotern versklavten Welt darin bestünde, die Möglichkeiten unseres Körpers zu erweitern und uns in Cyb-Orgs zu transformieren, d.h. in Organismen mit kybernetischen Erweiterungen. Nur als intelligentes In-eins von Mensch und Maschine kann die Sache einen friedlichen Ausgang nehmen. Durch eine Ablehnung, vielleicht gar einen Kulturkampf gegen den Cyborg droht Kirche und Welt dagegen die totale Computerverwaltung von außen. Vulcano hatte seine Rede für die Kardinäle schon vorbereitet: Ehrwürdige Eminenzen!
„Es geht hier nicht um simple Verbesserungen auf dem Weg zum idealen Menschen, so wie es oft befürchtet wird. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis, dass die Roboter die Macht über uns ergreifen. Es wird in Zukunft keinen Unterschied mehr zwischen Menschen und Robotern geben.“ (11)
Fünf Jahre intensiver Forschung neigen sich dem Ende zu. Vulcanos Einsamkeit wird bald ein Ende haben, denn die päpstliche Kommission könnte jeden Tag eintreffen. Man wird nicht per Flugzeug, sondern per Schiff anreisen, weil das nahezu unentdeckt bleiben kann und weniger Aufregung erzeugt als der Weg über den Flughafen. Die Kardinäle wollen neues sehen und hören hinsichtlich Mensch, Maschine und Religion. Sie müssten aber auch bereit sein, neues zu fühlen und an sich selbst zuzulassen. Hier wittert Vulcano den riskanten Knackpunkt seiner Präsentation, denn Sinnlichkeit ist die Stärke römischer Gesandtschaften nicht. Was wird er zeigen können von seiner mystischen Erfahrung als MenschMaschine?
Oft lehnt er abends nach der heiligen Messe am Ausguck seiner Höhlenkirche, schaut nach Westen in den Sonnenuntergang und stellt sich vor wie es sein könnte. Am Strand wird er stehen und das Kardinalsschiff im Kreise seiner programmierten Crew erwarten. Die Ministrantenroboter werden ihre liturgische Kleidung tragen. Lektorin Augustina wird mit einem Blumenkorb in der Hand als erste zum Anlegeplatz schreiten und Petrus wird mit starker Hand das Anlegeseil auffangen und am Kai vertäuen. Gemeinsam wird man das Te deum singen (auf die musischen Qualitäten hat der fromme Konstrukteur größten Wert gelegt) und in die Höhlenkirche ziehen, um nach einem Imbiss die Beratungen zu beginnen. „Wie groß wird ihre Bereitschaft sein, mitzugehen, überhaupt hinzusehen, nachdem sie mich einmal erblickt haben?“ Vulcanos Schädelplatte ist gespickt mit schillernden Sensoren, die an längeren und kürzeren Nadeln aus der Tonsur herausragen. Der Haarwuchs ist biochemisch gestoppt, damit die Kopfimplantate nicht irritiert werden. In der Mitte am oberen Rand der Stirne klafft ein drittes Augenloch, aus dessen Inneren im Dunkeln ein Funkenflug zu beobachten ist (was zunächst unbemerkt bleiben wird, weil die Ankunft vermutlich bei Tage stattfindet). Beide Ohren haben Duplikate, die hinter den natürlichen Ohrmuscheln sitzen. Die Gesichtshaut ist zu einem Wahrnehmungssegel umgebaut, das je nach Sinneseindruck seine Farbe wechselt wie ein Chamäleon auf wechselndem Untergrund. Vulcano kann sich sehr viel schneller bewegen als menschenüblich und nimmt sich fest vor, nichts davon zu zeigen. Aus dem Sonnengeflecht ragt an der Vorderseite des Bauches die „Gebetsmühle“, wie er den flexiblen und weichen Apparat nennt, der in ihm unablässig den Psalter rezitiert und seine Gefühle mit dem heiligen Text verknüpft: eine intensivierte Form des Stundengebetes. Vielleicht sollte er hiermit anfangen, um die Frömmigkeit seiner Robotern zu erklären? Das wäre jedenfalls die harmlose Verwendung von Computern, wo die Maschine nicht mehr als ein Hilfsmittel des Menschen ist: die elektronischen Messdiener kann man abschalten und die „Gebetsmühle“ schmerzfrei entfernen. Doch das eigentlich Fromme seiner Experimente ist von anderer Qualität.

Fromme Maschinen

Vulcano betet nicht nur mit Hilfe seiner Maschinen (wie früher mit Hilfe seines Breviers), sondern als MenschMaschine, d.h. seine kybernetischen Teile beten auch. Durch die intelligenten Implantate erweitert riecht, sieht, fühlt, hört er in zahllosen Varianten wie eine Stubenfliege, ein Erdferkel oder ein Seeadler. Diese universale Empfindung preist die Größe des Schöpfers und ist nur als Cyborg möglich. Was er früher als frommen Schauer während der Eucharistiefeier kannte, springt ihn nun direkt aus Brot und Wein an, wenn er darüber die Wandlungsworte spricht. Vulcano schaut die Wahrheit des Fleisches und Blutes Christi, das sich nicht mehr vor seiner erweiterten Wahrnehmung verbirgt. Das sakramentale Erkenntnisproblem, dass die Wandlung dem biochemischen Experiment widersteht, ist für ihn Geschichte. Immer wieder empfängt er göttliche Einsichten und weiß sich reicher beschenkt als einst die selige Bernadette von Lourdes. Anhand seiner individuell gesteigerten Glaubenserfahrung will er den Römern vorschlagen, ein kollektives Implantat für alle Getauften zu entwickeln, um den „Corpus Christi mysticum“ sinnlich erfahrbar zu machen und seine „Gebetsmühle“ offiziell an die Stelle des Breviers zu setzen. Denn eigentlich, so hat er mystisch geschaut, besteht der Kosmos in korrespondierenden Prozessen von „Wunschmaschinen“. (12) Die klassische Form von Differenz, wie sie als Gegensätze das abendländische Denken begrifflich organisieren, ist damit obsolet: ich/du, organisch/anorganisch, Industrie/Natur, Psyche/Physis etc. kommen in Fluss und werden relativ. Die „Fabrik“ bekommt gewissermaßen kosmische Dimensionen. Maschinen produzieren angetrieben durch den Wunsch. Sie sind daher nicht von Natur aus kapitalistische Arbeitsmaschinen, die der Schaffung von Mehrwert dienen. Produzieren und Produkt sind nicht mehr trennbar. (13) Nicht: „alles ist eins“, sondern: alles ist Produktion; alles ist Maschine: „Die Produktion als Prozess übersteigt alle idealen Kategorien und stellt derart einen Kreis dar, dem der Wunsch immanentes Prinzip ist.“ (14) Die schmerzlose Geburt Jesu, die Unversehrtheit der physischen Integrität der Gottesmutter, die fleischliche Auferstehung Jesu und die Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele erscheinen Vulcano plausibel wie nie zuvor. Gott erfindet die Körper neu und verwandelt sie zum schmerzfreien, lustvollen Glück. Die Materialität selbst erhält von Gott eine neue, erlöste Ordnung und die stets und seit Urzeiten technische Menschenkultur dankt ihm dafür mit ihren vergleichsweise kleinen Errungenschaften. Nach diesem Muster funktioniert aus Vulcanos frommer Sicht der Kosmos und mithin auch alles, was zwischen Gott und Mensch geschieht. Gott selbst ist freilich keine Maschine, aber Er hat den Kosmos gemacht, und zwar nach seinem Geschmack „sehr gut“. Vulcano sieht daher keinerlei Anlass zu dem Verdacht, diese maschinelle Struktur aller Welt sei ein Kuckucksei, das erst der Sündenfall dem Kosmos ins Nest gelegt habe. Denn Gott hat das All und die Menschen wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert.
Da meldet der Roboter aus dem Norden der Insel, dass ein Tragflächenboot Kurs auf die Anlegestelle der Höhlenkirche nimmt, weiß-gelb geflaggt.

 

Fußnoten:
(1) mit dem sich die Kirche von 1910 bis 1967 radikal fortschrittsfeindlich positionierte, indem sie ihre Priester zwang, gegen bibelwissenschaftliche, psychologische und andere Erkenntnisse Stellung zu beziehen.
(2) John Searle, Philosophieprofessor an der University of California Berkeley, Computerkritiker (Stichworte: Intention und Bewusstsein, das „chinesische Zimmer“)
(3) Hubert Dreyfus, alles wie bei Searle (Schwerpunkt: philosophische Implikationen künstlicher Intelligenz)
(4) Die tschechischen Worte „robota“ und „robotinik“ bedeuten „Fronarbeit“ und „Knecht“. Es geht um die Konstruktion künstlicher Sklaven, die langweilige Arbeit an Stelle des Menschen zu verrichten haben.
(5) Benannt nach dem britischen Wissenschaftler Alan Turing (1912-1954), der als erster die Erforschung der menschlichen Intelligenz mit der Entwicklung von Denkmaschinen verband.
(6) Das „Artificial-Intelligence-Laboratory“ am Massachusetts Institute of Technology erfährt bei Vulcano seine katholische Fortsetzung. Dort hatte man sich bereits in den 50er Jahren der Roboterkonstruktion und der Erforschung der menschlichen Intelligenz gewidmet.
(7) Entwickelt vom Kris Pister samt Team an der Berkeley Universität von Kalifornien.
(8) In dem Roman beginnen ganze Schwaden von kleinen Maschinen einen Luftkrieg und verbreiten sich wie schwarzer Staub. Sie beobachten die Aktivitäten der Menschen und stellen sich in den Dienst von mächtigen Verbänden und bösen Menschen. Eingesetzt in den menschlichen Blutkreislauf können die kleinen Maschinen den Menschen zerstören, sobald sie ein Funksignal von jemandem erhalten haben.
(9) In der Übergangszeit wurde hier der Märtyrer Adrianus verehrt, der unter Galerius und Maximian mit Schmiedewerkzeugen zu Tode gequält worden sein soll und daher stets mit Amboss und Hammer dargestellt wird, dem Gott nicht unähnlich.
(10) Zwei bedeutende Beispiele: Kevin Warwick , Professor für Kybernetik an der Universität von Reading (UK unterzog er sich am 14. Mai 2002 einer Operation, um sich ein elektronisches Interface direkt in sein Nervensystem einsetzen zu lassen, das ihm einen engeren und unmittelbaren Kontakt zu Computern und Menschen ermöglicht. In seinem Buch „Flesh and Machines“ analysiert Rodney Brooks, Direktor des Artificial Intelligence Laboratory im Massachusetts Institute of Technology, die Tendenzen der technologischen Entwicklung und kommt zu dem Schluss, dass in der Mitte des 21. Jahrhunderts sowohl die Roboter als auch die Menschen unausweichlich andere Eigenschaften haben werden und die Differenz von Mensch und Maschine unsinnig wird.
(11) Aus: „Flesh and Machines“ von Rodney Brooks
(12) Deleuze und Guattari, die Schöpfer dieser Art einer Weltanalyse, sind (wie seinerzeit Spinoza oder auch Leibniz) davon überzeugt, dass Wahrnehmung und Denken Substanz haben: kein Gegensatz von Fleisch und Geist. Vgl. Gilles Deleuze, Felix Guattari: Anti-Ödipus, Frankfurt am Main 1997
(13) „Mensch und Natur stehen sich nicht mehr als zwei distinktive Begriffe gegenüber, auch nicht in einem Kausalverhältnis oder einer Beziehung der Erkenntnis oder des Ausdrucks (Ursache-Wirkung, Subjekt-Objekt usw.). Vielmehr bilden sie die gemeinsame Realität von Produzent und Produkt.“ Gilles Deleuze, Felix Guattari: Anti-Ödipus, Frankfurt am Main 1997 S. 11
(14) Deleuze und Guattari a.a.O. S.10 f